Eingabehilfen öffnen

Skip to main content
News & Aktuelles

Erzählcafé - Austausch anlässlich des 80. Jahrestages des Kriegsendes

Erzählcafé - Austausch anlässlich des 80. Jahrestages des Kriegsendes

80 Jahre Kriegsende….Fast ein Menschenleben – für junge Menschen ist das ewig her. Wie also können wir erinnern und Nähe herstellen? Über das Erzählen. Wie lebt es sich nach dem Krieg in Deutschland? Was waren die besonderen Herausforderungen? Welche Ähnlichkeiten zu Heute gibt es? Was war anders? Was lässt sich schlussfolgern für uns heute? Diese und andere Fragen waren Gegenstand unseres Austauschs am 16.05. im ersten Erzählcafé an der Friedenauer Gemeinschaftsschule. Dank guter nachbarschaftlicher Kontakte konnten wir Sigrun Marks und Ina Krause, beide pensionierte Lehrerinnen und Angehörige der ersten Nachkriegsgeneration, zu uns zur Schule einladen. In zwei getrennten Gesprächsrunden erzählten die beiden jeweils zehn interessierten Schülerinnen und Schülern aus ihrem Leben. Sigrun Marks verlor ihren Vater kurz nach ihrer Geburt 1944 und erkannte später, dass der geliebte und immer vermisste Vater selbst Anhänger des Nationalsozialismus war. Dieses Wissen und das Entsetzen über die Geschehnisse prägten ihren Lebensweg. Aktiv in der Versöhnungsbewegung, studierend und helfend in Israel, lehrende und mahnend für die nachwachsenden Generationen stellte sie ihr Leben in den Dienst der Friedensarbeit. Einfühlsam fragten die Schülerinnen und Schüler nach und bekamen einen authentischen Eindruck von den Herausforderungen der Nachkriegsjahre.  Über das zweite Gespräch verfasste Josi einen Bericht.

 

"Zweitzeugen"-Gespräch mit Ina Krause am 16.05.2025 (Josi, II.1)

Heute hatten wir ein Gespräch mit der Zeitzeugin Ina Krause, in dem sie uns einen sehr persönlichen Einblick in ihr Leben und das ihrer Familie gegeben hat. 
 
Zu Beginn erzählte Frau Krause von ihrer Herkunft und ihrer Familie. Ihre Eltern stammten ursprünglich aus einem damals deutschen Gebiet, das heute zu Polen gehört, und mussten nach dem Zweiten Weltkrieg fliehen. Trotz der schwierigen Umstände nach der Flucht berichtete sie, dass es ihrer Familie insgesamt recht gut ging. Ihre Eltern waren liebevoll, wenngleich körperliche Züchtigung – wie damals leider oft üblich – zum Erziehungsstil gehörte. 
 
Besonders bewegend war die Geschichte ihrer Mutter, die selbst immer davon träumte, ein Gymnasium zu besuchen, diesen Traum aber nie verwirklichen konnte. Umso entschlossener war sie, ihren eigenen Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen. Sie legte großen Wert darauf, dass ihre Töchter aufs Gymnasium gingen – und sie setzten diesen Wunsch auch erfolgreich um. 
 
Ein weiterer prägender Aspekt ihres Familienlebens war die Kriegserfahrung ihres Vaters. Er hatte im Zweiten Weltkrieg gekämpft, überlebte glücklicherweise ohne schwere Verletzungen, trug jedoch gesundheitliche Langzeitfolgen davon. Während seiner Dienstzeit erkrankte er an einer unbekannten Virusinfektion, die in unregelmäßigen Abständen zu Fieberschüben führte. Die Ärzte waren damals ratlos und konnten keine genaue Diagnose stellen. Mit dieser mysteriösen Krankheit lebte er bis zu seinem Tod. Über seine Kriegserlebnisse sprach er, wie viele Männer seiner Generation, kaum – vieles wurde einfach totgeschwiegen. 
 
Im weiteren Verlauf des Gesprächs zeigte uns Frau Krause ein altes Fotoalbum mit Bildern aus ihrer Kindheit und Jugend sowie von ihrer Familie, die heute über ganz Deutschland verstreut lebt. Diese Fotos vermittelten ein lebendiges Bild vergangener Zeiten und machten ihre Erzählungen noch greifbarer. 
 
Nachdem sie ihre Geschichte mit uns geteilt hatte, begannen wir, Fragen zu stellen. Dabei kamen wir auch auf aktuelle gesellschaftliche und politische Themen zu sprechen. So verglich Frau Krause die heutige Situation im Nahen Osten, insbesondere im Kontext des Gaza-Krieges, mit dem Leid und der Grausamkeit, das jüdischen Menschen im Nationalsozialismus widerfahren ist. Sie äußerte ihre Erschütterung darüber, dass sich Geschichte in gewisser Weise zu wiederholen scheint – nicht in derselben Form, aber in ihrer Grausamkeit. 
 
Auch die politische Entwicklung in Deutschland, vor allem der Aufstieg der AfD, wurde thematisiert. Frau Krause äußerte ihre Besorgnis über den zunehmenden Rechtspopulismus und betonte, wie wichtig es sei, aus der Geschichte zu lernen, aufmerksam zu bleiben und sich für eine offene und demokratische Gesellschaft einzusetzen. 
 
Insgesamt war das Gespräch mit Frau Krause eine eindrucksvolle Mischung aus persönlichen Erinnerungen, historischen Einblicken und gesellschaftspolitischer Reflexion. Es hat uns nicht nur geholfen, die Vergangenheit besser zu verstehen, sondern auch unsere Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft deutlicher vor Augen geführt.